Geschichte Nationales Jugendsportzentrum Tenero (CST)
Schweizerischen Nationalspende für unsere Soldaten und ihre Familien (SNS) und die Entstehung des Nationalen Jugendsportzentrums Tenero (CST)
Die historischen Wurzeln des Nationalen Jugendsportzentrums in Tenero reichen bis in die ersten Jahre nach dem Ersten Weltkrieg, welcher Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschütterte, zurück.
Infolge der nationalen Mobilmachung zur Verteidigung der Landesgrenzen gegen eine mögliche Aggression von aussen
verloren viele Schweizer Familien von Armeeangehörigen ihre einzige finanzielle Existenzgrundlage und hatten keinen
Zugang zu irgendwelchen Sozialleistungen. Um diese dramatische Situation zu bewältigen, richtet der Generalstab im Februar 1918 eine neue Division ein und betraut Oberst
Markus Feldman mit deren Führung. Um die Unterstützung
für die Familien der Soldaten zu verbessern, rufen Feldman
und seine Mitarbeiter am 1. August 1918 eine nationale Sammlung ins Leben. Diese ist so erfolgreich, dass der Bund sich veranlasst sieht, eine dauerhafte Stiftung zu gründen. So wird im Januar 1919 in Bern die Schweizerische Nationalspende für unsere Soldaten und Familien (SNS) gegründet. Nebst den diversen Nöten welche die Bevölkerung erlebte entfachte während der Kriegsjahre auch die Ausbreitung der Tuberkulose. Diese flammte vor allem bei den zum Militärdienst einberufenen Männern wieder auf. Obwohl die Schweiz über Spitalzentren zur Behandlung der Krankheit verfügte, blieb die allgemeine Versorgung der Tuberkulosepatienten mangelhaft, insbesondere was die Wiedereingliederung in das zivile Leben betraf. Der Chefarzt der Armee, Oberst Carl Hauser, ist alarmiert und legt der SNS im Jahr 1920 einen detaillierten Bericht vor, in dem er die Schaffung eines Zentrums für Rekonvaleszenten vorschlägt basierend auf der Förderung von Aktivitäten im Freien.
Am 2. September 1921 genehmigt die SNS, welche den
Bericht von Oberst Hauser positiv bewertete, die Gründung
einer autonomen Stiftung, mit dem Auftrag, ein Gesundheits-
und Rekonvaleszenzzentrum auf der Grundlage von Tätig-
keiten im Bereich Landwirtschaft und Tierzucht zu schaffen.
In den folgenden Monaten macht sich die SNS auf die Suche nach einem geeigneten Standort. Unter den verschiedenen
Varianten fällt der Blick auf das Tessin, insbesondere auf das
Gebiet um das Delta des Flusses Verzasca in der Gemeinde
Tenero.
Am 28. November 1921 findet in Bern die Gründungsversammlung der Stiftung «Stabilimento di cura Tenero» statt, diese Stiftung steht unter der Aufsicht des Bundesrates und unter der Leitung eines Stiftungsrates, welcher der Chefarzt der Armee von Amtes wegen präsidiert. Am 12. Dezember desselben Jahres erwirbt die Stiftung die zuvor festgelegten 51 Hektar Land inklusive einer angrenzenden grossen Scheune. Dies ist der Beginn einer langen Geschichte, welche diesen wunderbaren Ort zu einem der wichtigsten Zentren für Sport und Sportförderung in der gesamten Eidgenossenschaft machen sollte.
Zum ersten Verwalter des Gesundheitszentrums wird der
Landwirt Albert Feitknecht aus Twann ernannt, der von seiner Frau Martha unterstützt wird. Am 2. Februar 1922 wird
der erste Patient in prekärem Zustand aufgenommen, aber
nur zwei Jahre später ist das Zentrum bereits mit fünfzig
Betten und allen notwendigen Verwaltungseinrichtungen
ausgestattet.
In diesen Anfangsjahren gibt es ein harmonisches Wachstum
sowohl bei der Patientenpflege als auch bei den landwirtschaftlichen Aktivitäten. Der angeschwemmte, unregelmäßige und sandige Boden wird bearbeitet, um ihn für den Anbau geeignet zu machen. Einige Flächen werden auch gerodet, präpariert und ein ausgedehntes Bewässerungssystem wird angelegt. Die «Cura» in den Bezirken Locarno und Bellinzona braucht nicht lange, um sich als Musterbetrieb zu etablieren, und auch die finanziellen Ergebnisse lassen nicht lange auf sich warten. Zwischen 1924 und 1945 schliessen die Bilanzen des Unternehmens durchwegs mit schwarzen Zahlen.
Legende
Legende
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In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre geht die Zahl der Patienten in der Einrichtung stetig zurück. Diese Entwicklung
ist zum Teil durch die natürliche Bewältigung der medizinischen und gesundheitlichen Folgen des Ersten Weltkriegs und zum Teil durch das Entstehen ähnlicher Einrichtungen wie dem Sanatorium Montana im Wallis begründet. Um der ungünstigen Situation Rechnung zu tragen, wird beschlossen, das Spektrum der zu behandelnden Krankheiten zu erweitern, was Investitionen in den Ausbau der bestehenden medizinischen Einrichtung zur Folge hat. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs steigt die Nachfrage nach medizinischer Versorgung wieder rapide an, und dank den Investitionen in die medizinische Einrichtung im vorangegangenen Jahrzehnt wird 1944 ein Höchststand an Einweisungen verzeichnet (842 Einweisungen). Auch der dazugehörige landwirtschaftliche Betrieb hat in dieser Zeit unter der Leitung des Ehepaars Feitknecht seine Anbauflächen erweitert und die Produktion diversifiziert.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs führt zwangsläufig zu einem Rückgang der Nachfrage nach medizinischer Versorgung, und Ende der 1940er Jahre befindet sich das Gesundheitszentrum in einer finanziellen Notlage. Im Jahr 1951 wird die Einrichtung in «Militärheilstätte Tenero» umbenannt. Mit diesem etwas unbeholfenen Versuch wollte man weniger Besorgnis in der Öffentlichkeit hervorrufen und auf diese Weise einen Zustrom von Patienten fördern. Die Zahl der Aufnahmen reicht jedoch nicht aus, um die Kosten zu decken, und die Heilstätte verzeichnet während des gesamten Jahrzehnts ein Haushaltsdefizit. Wesentlich besser sieht es in der Agrarwirtschaft aus, wo weiterhin Haushaltsüberschüsse und eine weitere Produktionsausweitung zu verzeichnen sind. Nach mehreren erfolglosen Reorganisationen stellt der Gründungsausschuss der «Cura» im September 1961 einen Antrag an die SNS, die Stiftung «Militärheilstätte Tenero» 40 Jahre nach ihrer Gründung aufzulösen.
Mit der Auflösung der Stiftung geht ein wichtiges Kapitel in
dieser Geschichte zu Ende, das auch durch den endgültigen
Weggang des Ehepaars Feitknecht gekennzeichnet ist. Die
SNS beschliesst jedoch, den immer noch rentablen landwirtschaftlichen Betrieb am Leben zu erhalten und überträgt dessen Leitung an Rodolfo Feitknecht, dem Sohn von Albert und Martha, um ein Zeichen der Kontinuität mit der jüngsten Vergangenheit zu setzen. Rodolfo Feitknecht wird unterstützt von seiner Frau Elisabeth Feitknecht-Niklaus.
Legende
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1962 sucht der Vorstand immer noch nach einer Alternative,
um die von der «Cura» geerbten Anlagen gewinnbringend zu
nutzen. Im späten Frühjahr schliesst der Vorstand, mit Zustimmung der SNS, eine mündliche Vereinbarung mit der Solothurner Turngesellschaft, über die Ausrichtung eines Sommersportlagers für 45 Sportler ab. Im Laufe der Jahre
führt diese erste und revolutionäre Neuausrichtung zu der
heutigen Realität des Nationalen Sportzentrums in Tenero,
das mit seiner sonnigen Lage am See und dem milden Klima
für den Sport bestens geeignet ist. Aufgrund dieses ersten
und sehr erfolgreichen Experiments hat die Verwaltungskommission über den Schweizerischen Turnverband und die Eidgenössische Sportschule Magglingen ein Rundschreiben an die kantonalen und regionalen Turnverbände versandt, um sie auf die Möglichkeit aufmerksam zu machen, in Tenero Sommerkurse und -lager für die Jugendlichen des Landes
abzuhalten. Der Vorschlag stösst bei der ETS (Eidgenössi-
sche Turn- und Sportschule – ab 1998 Bundesamt für Sport)
auf Interesse und diese unterzeichnet mit der SNS eine Ver-
einbarung über die Nutzung von 3,6 Hektar des Tenero-Grundstücks.
Trotz einiger infrastruktureller Mängel ist die Erfahrung für beide Seiten positiv und die SNS heisst die Idee, einen Teil
ihrer finanziellen Mittel in die Entwicklung des Tenero als
Sportzentrum zu investieren gut. Die Renovierungs- und
Erweiterungsarbeiten lassen nicht lange auf sich warten, so
dass bereits 1966 die Zahl der Sportgruppen auf 119 und die
Zahl der Einzelteilnehmer auf 4.066 ansteigt. Nach diesem
Erfolg wird im Juni desselben Jahres ein Vertrag mit einer
Laufzeit von 30 Jahren zwischen der SNS und der ETS unterzeichnet, der das Eigentum, die Nutzung und den Unterhalt des Zentrums regelt. Nur wenige Jahre später beantragt der ETS beim damaligen Eidgenössischen Militärdepartement ein Grossprojekt, welches einen weiteren baulichen Ausbau (Bauprogramm eingeteilt in drei Etappen 1975/1978/1983) mit Gesamtkosten von 28 Millionen Franken vorsieht. Mit dem Beschluss vom 3. Oktober 1974 bestätigt der Bundesrat seine Absicht, die Schaffung eines nationalen Jugendsportzentrums in Tenero (CST) zu fördern. Daraufhin wird dem Eidgenössischen Militärdepartement ein Anfangskredit von 950›000 Franken für die Durchführung eines Architekturwettbewerbs und die Einsetzung einer Kommission für die Planung der ersten Bauetappe des CST gewährt.
Anschliessend nimmt der Bundesrat 1976, in Kenntnis der
Empfehlung des Kommissionsberichts, den Bau des CST auf die Prioritätenliste des Regierungsprogramms. Das Streben zur Nutzung der SNS-Flächen für sportliche Zwecke hat sich damit entscheidend und unumkehrbar beschleunigt.
Nach anfänglicher Zurückhaltung genehmigt die SNS 1977
den Kauf und Verkauf der für die Realisierung des Sportprojekts erforderlichen Grundstücke. Die daraufhin aufgenommenen Verhandlungen erwiesen sich als schwierig und dauerten bis zum 13. November 1979. Am 2. Juni 1980 erfolgt die offizielle Übergabe der 182.000 Quadratmeter
SNS-Grundstücks an den Bund, so dass die erste Phase der
geplanten Arbeiten beginnen kann. Das vom Architekturbüro
Otto e Associati SA aus Lugano vorgestellte Projekt gewinnt
den vom Eidgenössischen Militärdepartement ausgeschriebenen Wettbewerb dank der Beachtung und Erhaltung des lokalen Naturerbes. Am 27. September 1985 findet die offizielle Einweihung des CST statt, eines hochmodernen Sportzentrums, das mit einer Dreifachturnhalle, einem Schwimmzentrum mit olympischem Schwimmbecken und Sprungturm, zwei Kunstrasenplätze für Mannschaftsspiele und mehreren Räumen für Theoriekurse und Verwaltung ausgestattet ist.
Die Ziele des CST bestehen darin, Jugendliche zu regelmässiger körperlicher Betätigung anzuregen, den Sportunterricht allen zugänglich zu machen, Begegnungen zwischen Jugendlichen aus den verschiedenen Sprachregionen des Landes zu fördern und dem Kanton Tessin und insbesondere der Region Locarno ein regionales Sportzentrum anzubieten. Der Erfolg des CST ist unmittelbar spürbar, und die beträchtlichen Besucherzahlen geben den Trägern der Initiative die Gewissheit, dass das Sportzentrum einem echten Bedürfnis entspricht. Die hervorragenden Ergebnisse ermutigen die Bundesbehörden auch, die zweite Phase des Projekts zu planen und umzusetzen, die unter anderem den Bau eines Hallenbads vorsieht.
Im Jahr 1989 beauftragt das Bundesamt für Militär sechs
verschiedene Architekturbüros mit der Erstellung eines Entwicklungsplans. Die Ausarbeitung eines endgültigen Projekts dauert jedoch bis 1997, als sich die Situation in Tenero erheblich verändert.
1987 beginnt die SNS eine Phase der schrittweisen Verkleinerung der landwirtschaftlichen Tätigkeiten und mit Veräusserungen von Grundstücken welche nach der Gründung der CST weiterhin genutzt wurden.
Ende 1995 erfolgt die endgültige Einstellung der Schweine-
zucht und im Dezember 1996 die Einstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeit mit dem anschließenden Verkauf der meisten Grundstücke. Die Entflechtung der SNS endet mit der Auflösung des Partnerschaftsvertrags mit der SFGS, die ab 1997 die Leitung und Verwaltung des CST übernimmt. Dieser institutionelle Wechsel fällt auch mit der Pensionierung von Rodolfo Feitknecht zusammen. Bixio Caprara, ein Mitarbeiter der CST seit 1988, übernimmt die Leitung des CST. Ebenfalls 1997 genehmigt das Parlament die eidgenössische Baubotschaft, die eine weitere Etappe des Ausbaus des Sportzentrums vorsieht.
Der Architekt Mario Botta gewinnt die Ausschreibung für das
neue Projekt, dessen Arbeiten 2001 abgeschlossen werden.
Dank dieser letzten grossen Investition ist das CST in der
Lage, immer mehr junge Sportlerinnen und Sportler aufzunehmen und seine Rolle als Nationales Zentrum für die Ausbildung vielversprechender Schweizer und Tessiner Sportlerinnen und Sportler zu festigen. Die strategische Bedeutung des CST wird schliesslich durch den jüngsten Entscheid des Bundesrates bestätigt und belohnt, es werden weitere Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur getätigt (Botschaft über den Tiefbau von 2010).
«Tenero ist der glücklichste Beitrag, den man sich vorstellen
kann, um den Geist des Landes und vor allem seiner Jugend
zu fördern». So drückte es Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz 1982 bei einem Besuch des CST aus. Mit diesem Satz hat er das Wesen der beiden staatlichen Einrichtungen, die an den Ufern des Verbano-Sees aufeinander gefolgt sind, gut zusammengefasst. Sowohl der landwirtschaftliche Erholungsort als auch das Sportzentrum haben und werden weiterhin eine sozialpräventive und ethische Tätigkeit ausüben. Ihre Anwesenheit hat auch eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung und dem Schutz dieses wertvollen Gebietes gespielt, indem es vor der wahrscheinlichen Bauspekulation geschützt wurde.
Das CST hat erfahren und erfährt ein ständiges Wachstum, was zu einer weiteren Modernisierung und Verbesserung der Einrichtungen geführt hat.
Im Jahr 2013 wurde im Campingplatz ein neues Servicegebäude gebaut, das ein angemessenes Angebot an Küchen und Dienstleistungen für mehr als 700 Gäste bietet.
Im Jahr 2020 wurde die 4. Ausbaustufe in Angriff genommen, welche eine Doppelturnhalle für Kunst- und Geräteturnen, eine neue Kantine mit 400 Plätzen, 15 Theorieräume, ein Auditorium sowie einen neuen Verwaltungsbereich umfasst. Dieses neue Brere-Gebäude spiegelt sich im Süden des Gottardo-Gebäudes wider und wird der neue Haupteingang des CST sein. Es soll im Frühjahr 2023 in Betrieb genommen werden.
Im Herbst 2022 wird mit dem Bau eines neuen Wohnheims mit 140 Betten begonnen. Dieses ersetzt das Wohnheim Mezzodì, das erste Gebäude der SNS aus dem Jahr 1921, das aus statischen Gründen abgerissen werden muss und das Gebäude der Residenz, welches dem Schwimmzentrum Platz machen muss.
Schließlich hat das Parlament 2021 ein Projekt für ein neues Schwimmzentrum genehmigt, das dem CST einen Quantensprung im Bereich der Wassersportarten wie Schwimmen, Tauchen, Kunstschwimmen, Wasserball, Flossenschwimmen und Rettungsschwimmen ermöglichen wird. Die Infrastruktur umfasst ein olympisches Schwimmbecken und ein Sprungbecken in der Halle sowie ein neues olympisches Außenbecken, welche die derzeitigen Becken ersetzen soll. Dank spezieller Öffnungsfronten ist ein ganzjähriger Betrieb unter idealen Bedingungen möglich. Die geplante Investition beläuft sich auf ca. 100 Millionen. Der Bau soll im nächsten Jahr in zwei Etappen beginnen, um die Kontinuität des Schwimmbadbetriebs zu gewährleisten und 2029 abgeschlossen sein.
Quellen
- Akten der Stiftung Schweizerischen Nationalspende für unsere Soldaten und ihre Familien (SNS)
- «Tenero-Contra, un comune dai vigneti alle sponde del Verbano», von Simona Canevascini, 2010 [Kapitel verfasst
durch Francesca Corti]
- Aktualisierung von 2010 bis heute durch das CST, Bixio Caprara
- Zusammenfassung durch DNS und ARMSI